Stolperkunstmappe 2 + 3

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Stolperkunstmappe 2 + 3

Die Stolperkunstmappe 2 entstand im Rahmen einer AG mit Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse der Werkrealschule Ostheim im Zeitraum von Nov. 2023 bis Juni 2024 gefördert durch eine Projektförderung der Abt. Kulturelle Bildung des Kulturamtes der Stadt Stuttgart. Im Herbst 2024 bis Februar 2025 konnte eine weitere AG der 9. Klasse der Werkrealschule Ostheim die Stolperkunstmappe 3 entwickeln und drucken. Dieses Mal als Teil der institutionellen Förderung der druckWERKstatt Stuttgart-Ost. 

Die erste Gruppe begleitet von ihrer Lehrerin Frau Scheeren hatte schon ein Vorprojekt zum Thema Drucken in der druckWERKstatt, dessen Ergebnisse im Klassenzimmer ausgestellt worden war. Die zweite Gruppe wurde von der Sozialarbeiterin Heidi Rühle begleitet. Der Rektor der Schule hat bei der Ausstellungseröffnung gesprochen. Fast alle Schülerinnen und Schüler (Ausnahmen krankheitsbedingt) waren bei der Ausstellungseröffnung am 8. Mai 2025 in der Stadtteilbibliothek Stuttgart-Ost. Gespräche mit Ausstellungsbesuchern ergaben, dass die Recherche über die Einzelschicksale, erste Informationen zur NS-Herrschaft und die sich daraus ergebende Erarbeitung der Grafiken eine außerordentliche Erfahrung für die Beteiligten war. 

Hier die Rede von Wolfram Isele bei der Eröffnung der Werkschau in der Stadtbücherei Ost am 8. Mai 2025:

Guten Tag liebe BesucherInnen der Werkschau

Stolperkunstmappe II und II

15 Jugendliche stellen heute ihre Grafiken der Öffentlichkeit vor.

Grafiken, die eine Begegnung zwischen ihnen – den Jugendlichen – und den Schicksalen der Menschen, für die die Stolpersteine gesetzt wurden, beschreiben.

In zwei AG’s haben sie in jeweils ungefähr einem halben Jahr daran gearbeitet. Das beinhaltete Recherche der Schicksale, Einblicke in die Drucktechniken, eine Phase der Bildfindung und die Umsetzung der Bildideen.

Gearbeitet wurde in verschiedenen Techniken. Auf der einen Seite im Hochdruck:

Mit Bleisatz und Holzbuchstaben, mit Linoleum, Stempel und Depron, einem styroporähnlichen Material.

Auf der anderen Seite im Tiefdruck: sprich Kaltnadelradierung.

Für Menschen, die in der Zeit des Faschismus in Deutschland und anderen Ländern ermordet wurden, setzt der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine. Die Jugendlichen sind auf diese Stolpersteine in der Umgebung ihrer Wohnorte aufmerksam geworden. Wie würde eine Begegnung zwischen ihnen und den damals hier Lebenden im Alltag aussehen? Eine Begegnung, die nicht im wirklichen Leben stattfinden kann, aber durchaus in der Fantasie? Diese Frage war der Ausgangspunkt für die Phase der Bildfindung. Ein zweiter Ansatz war, Beschreibungen für die Lebenssituationen der Betroffenen zu finden.

Ich möchte das gerne erläutern, indem ich zu jeder Arbeit einige Hinweise gebe, ohne die ganze Geschichte zu erzählen.

An dieser Stelle eine Info zur Hängung:

Die Grafiken sind nummeriert. Die Nummerierung kam durch Zufall zustande. Mit der Nummerierung ist keine Wertung verbunden.

1 Daniel beschreibt die Situation des Oberschaffners Georg Greiner. Er ist verheiratet, hat ein Kind. Der Graue Bus holt ihn nach Grafeneck. Georg Greiner fehlt.

2 Lena konzentriert sich in ihrer Darstellung auf die Lage der kleinen Kinder im Krankenbau bei Josef Mengele und insbesondere auf die noch nicht dreijährige Irene Winter.

3 Tessa notiert einige Lebensstationen des deserteurs Rudolf Jehle in Stuttgart am Neckar. Die Flucht und die Erschießung aber ist zentrales Bildmotiv. (Bezug: Erschießung der Aufständischen, Goya)

4 Bei Yasin verkriecht sich Marie Hock in der Zimmerecke, in der Hoffnung, dem Grauen Bus zu entkommen.

5 Toni dokumentiert die Stolpersteine von Else und Sigmund Mayer und ergänzt mit Schlagworten.

6 Boran hat von Anny Kohn eine portäthafte Vorstellung, die er im Stil der Popart ausdrückt.

7  Beatrice sieht den sechsjährigen Günther Rüdenauer in einem großen, Kinderschlafsaal aufgereiht, wo er mit dem Schlafmittel Luminol ermordet wird.

8 für Dario steht das gebrochene Herz des verliebten Eduard Eger im Zentrum.

9 Im Comic ‚Der Doktor‘ skizziert Simon den Weg des Ärzteehepaars Holzinger in den Freitod.

10 Norman sieht sich als Aufklärer vor dem Haus, in dem Sana und Chassia Dymschiz gelebt hatten.

11 Alexei skiziiert die Strassenecke, in der Eduard Leiter eine Koschere Metzgerei betrieb und die heute noch ganz ähnlich aussieht.

12 Enoch gibt dem von einem schrecklichen Geist bedrohten gerade einmal zweijährigen Rudolf Rathgeb Schokolade, um den schrecklichen Geist zu vertreiben und Rudolf zu retten.

13 Bozidiara bnegegnet der jüdischen Lebensmittelhändlerin Clara Adler an der Grenze zwischen einer ‚alten‘ und einer zeitgenössischen Bäckerei.

14 Ralf frägt auf einer fiktiven Zeitungseite „Was geschah mit Notburga Angele?

15 Davide zeigt das verarmte und vergeblich auf eine Auswanderung hoffende Ehepaar Lewinnek, das alle Zimmer ihrer Wohnung vermieten mußte.

Wie mit einem Lichtkegel erfassen die Grafiken einen ausgewählten Aspekt der Leidensgeschichte der Ermordeten. Von Menschen, die in unserer nächsten Umgebng gelebt hatten.

15 von mehr als 150 Menschen im Stuttgarter Osten.

Dafür, dass ihr unseren Blick heute auf das Schicksal dieser Menschen lenkt, dafür möchte ich euch allen danken.

Die Eröffnung dieser Werkschau fällt auf den 8. Mai 2025.

Vor 80 Jahren wurde an diesem Datum der zweite Weltkrieg beendet. Diesen Tag haben die Menschen, an die ihr hier erinnert, nicht mehr erlebt. Für Sie wäre der 8. Mai ein Tag der Befreiung gewesen. Das ist er auch für uns heute immer noch. Denn aus dem Erinnern entsteht immer wieder die Notwendigkeit für eine demokratische Erneuerung.

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